============= Nachteilsausgleich ====================
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===== Rechtliche Grundlage =====
==== Allgemein ====
Das Recht auf einen angemessenen Nachteilsausgleich für behinderte und chronisch kranke Studierende ergibt sich bereits aus dem Gleichheitsgrundsatz, dem Sozialstaatsprinzip und dem Benachteilungsverbot für behinderte Menschen im Grundgesetz (Artikel 3 und 20). \\
In Sachsen regelt §34 Absatz 3 SächsHSFG: "Prüfungsordnungen müssen die Inanspruchnahme des Mutterschaftsurlaubes und der Elternzeit zulassen sowie der Chancengleichheit für behinderte und chronisch kranke Studenten dienende Regelungen treffen.", dass sowohl Studierende mit Kind, als auch behinderte oder chronisch kranke Studierende die Möglichkeit auf einen Nachteilsausgleich bekommen müssen.
Dabei geht es vor allem um Nachteilsausgleiche einer Behinderung oder Krankheit, die den Nachweis einer uneingeschränkt vorhanden Befähigung erschweren und durch Hilfsmittel ausgeglichen werden können.
Wenn der Beruf, für den das Studium qualifizieren soll allerdings körperliche oder geistige Mindestanforderungen stellt, deren Nachweis durch die Prüfung erfolgen soll, kann kein Nachteilsaugleich gewährt werden.
Er darf ebenfalls verwährt werden bei Behinderung oder Krankheit, die nicht individuell ist, also zu Gruppenrechten führen würden (z.B. Defizite deutsche Sprache aufgrund von Herkunft).
Außerdem sollte es keinen Ausgleich bei der Bewertung einer Prüfungsleistung geben, da diese das Niveau des Prüflings und somit Jobeignung feststellen soll. Das heißt insbesondere, dass der Antrag immer vor dem Ablegen der Prüfungsleistung gestellt werden muss.
==== Urteile ====
Besonders repräsentativ sind die Urteile des [[https://wiki.stura.tu-dresden.de/lib/exe/fetch.php?media=allgemein:lust:lust:gleichstellung:bverwg-30081977_markiert.pdf|Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.08.1977]] und vom [[https://wiki.stura.tu-dresden.de/lib/exe/fetch.php?media=allgemein:lust:lust:gleichstellung:vgh_hessen_03.01.2006_-_8_tg_3292_05_markiert.pdf| Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 03.01.2006]].
Hier sind die relevanten Gründe für den Urteilsspruch markiert.
===== Umsetzung an der TU Dresden =====
Der Passus in der Musterprüfungsordnung der TUD, die den Nachteilsausgleich regelt lautet:
"(1)Macht die bzw. der Studierende glaubhaft, wegen länger andauernder oder ständiger körperlicher Behinderung bzw. chronischer Krankheit nicht in der Lage zu sein, Prüfungsleistungen ganz oder teilweise in der vorgesehenen Form abzulegen, so wird ihr bzw. ihm von der bzw. dem Prüfungsausschussvorsitzenden gestattet, die Prüfungsleistungen innerhalb einer verlängerten Bearbeitungszeit oder in gleichwertiger Weise zu erbringen. Dazu kann die Vorlage eines ärztlichen Attestes und in Zweifelsfällen eines amtsärztlichen Attestes verlangt werden. Entsprechendes gilt für Prüfungsvorleistungen.
(2)Macht der Studierende glaubhaft, wegen der Betreuung eigener Kinder bis zum 14. Lebensjahr oder der Pflege naher Angehöriger Prüfungsleistungen nicht wie vorgeschrieben erbringen zu können, gestattet der Prüfungsausschussvorsitzende auf Antrag, die Prüfungsleistungen in gleichwertiger Weise abzulegen. Nahe Angehörige sind Kinder, Eltern, Großeltern, Ehe- und Lebenspartner. Wie die Prüfungsleistung zu erbringen ist, entscheidet der Prüfungsausschussvorsitzende in Absprache mit dem zuständigen Prüfer nach pflichtgemä- ßem Ermessen. Als geeignete Maßnahmen zum Nachteilsausgleich kommen z.B. verlängerte Bearbeitungszeiten, Bearbeitungspausen, Nutzung anderer Medien, Nutzung anderer Prüfungsräume innerhalb der Hochschule oder ein anderer Prüfungstermin in Betracht. Entsprechendes gilt für Prüfungsvorleistungen"
Diese Formulierung treffen so gut wie alle Studiengänge in ihren Prüfungsordnungen.
==== theoretisch in Prüfungsordnungen ====
^ Bereich ^Abschluss ^ Fakultät ^ Studiengang ^ Nachteilsausgleich ^
^ MatNat| Bachelor| Biologie\\ Chemie\\ Mathematik\\ Physik\\ Psychologie| Biologie\\ Chemie\\ Mathematik\\ Physik\\ Psychologie| Nur Abschnitt (1)\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja|
^ | Master| Biologie\\ Chemie\\ Mathematik\\ Physik\\ Psychologie| Biologie\\ Chemie\\ Mathematik\\ Physik\\ Psychologie| Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja|
^ Ingeneur| Diplom| Elektrotechnik und Informationstechnik | Elektrotechnik\\ Informationssystemtechnik\\ Mechatronik\\ Regenerative Energiesysteme| Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja|
^ | | Informatik| Informatik| Ja|
^ | | Maschinenwesen| Maschinenbau \\ Verfahrenstechnik und Naturstofftechnik\\ Werkstoffwissenschaft| Ja\\ Ja\\ \\ Ja|
^| | Bachelor| Informatik| Informatik\\ Medieninformatik| Ja\\ Ja|
^| | | Maschinenwesen| Maschinenbau \\ Verfahrenstechnik und Naturstofftechnik\\ Werkstoffwissenschaft| Ja\\ Ja\\ \\ Ja |
^| | Master| Elektrotechnik und Informationstechnik| Elektrotechnik\\ Nanoelectronic Systems| Ja\\ Ja|
^| | | Informatik| Informatik\\ Medieninformatik\\ Computational Science and Engineering| Ja\\ Ja\\ Ja|
^| | | Maschinenwesen| Textil- und Konfektionstechnik| Ja|
^ Bau und Umwelt| Diplom| Architektur| Architektur| Ja|
^| | | Bauingeneurwesen| Bauingenieur| Ja|
^| | | Verkehrswissenschaften| Verkehr| Ja|
^| | | Wirtschaftswissenschaften| Wirtschaftsingenier\\ Wirtschaftsinformatik| Ja\\ Ja|
^| | Bachelor| Fakultät Architektur| Landschaftsarchitektur| Ja|
^| | | Bauingenieur| Bauingenieur| Ja|
^| | | Umweltwissenschaften| Forstwissenschaft\\ Geographie\\ Geodäsie\\ Hydrowissenschaft| Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja|
^| | | Verkehrwissenschaft| Verkehr| Ja|
^| | | Wirtschaftswissenschaft| Wirtschaftswissenschaft\\ Wirtschaftspädagogik\\ Wirtschaftsingenieur\\ Wirtschaftsinformatik| Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja|
^| | Master| Architektur| Landschaftsarchitektur| Ja|
^| | | Umweltwissenschaft| Forstwissenschaft\\ Tropical Forestry\\ Holztechnologie\\ Geodäsie\\ Geoinformationstechnolgien\\ Cartography\\ Geographie\ Wasserwissenschaft\\ Hydrologie\\ Abfallwissenschaft\\ Hydrobiologie| Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja|
^| | | Verkehrswissenschaft| Verkehr\\ Bahnsystemingenieurwesen| Ja\\ Ja|
^| | | Wirtschaftswissenschaften| Wirtschaftsinformatik\\ Betriebswirtschaftslehre\\ Volkswirtschaftslehre\\ Wirtschaftspädagogik\\ Wirtschaftsingenieur\\ Wirtschaftsinformatik| Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja|
^ Geistes- und Sozialwissenschaften| Bachelor| Erziehungswissenschaften| Sozialpädagogik| Ja|
^| | | Philosophie| Evangelische Theologie\\ Geschichte\\ katholische Theologie\\ Kunstgeschichte\\ Philosophie\\ Politikwissenschaften\\ Medienforschung\\ Soziologie\\ Musikwissenschaft | Nur Abschnitt (1)\\ Nur Abschnitt (1)\\ Nur Abschnitt (1)\\ Nur Abschnitt (1)\\ Ja\\ Nur Abschnitt (1)\\ Ja\\ Ja\\ Ja|
^| | | Sprach-, Literatur- und Kunstwissenschaft| SLK| Ja|
^| | Master| Philosophie| Antike Kultur\\ Kunstgeschichte\\ Philosophie\\ Musikwissenschaft\\ Politik und Verfassung\\ Soziologie\\ Angewandte Medienforschung\\ Geschichte| Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja|
^| | | Erziehungswissenschaft| Weiterbildungsforschung\\ Sozialpädagogik\\ Vocational Education| Ja\\ Ja\\ Ja|
^| | | Sprach-, Literatur- und Kunstwissenschaft| SLK | Ja|
^ Medizin| Staatsexamen| Medizin| Medizin\\ Zahnmedizin\\ Gesundheitswissenschaft | Nur für Behinderte\\ Nur für Behinderte\\ Nur für Behinderte|
^ | Master| Medizin| Medical Radiation Science| Ja|
^ Lehramt| Staatsexamen| Lehramt| Gymnasium\\ Mittelschule\\ Grundschule\\ Berufsbildende Schulen| Ja\\ Ja\\ Ja\\ Ja|
^| | Bachelor| Lehramt| Allgemeinbildende Schulen\\ Berufsbildende Schulen| Ja\\ Ja|
^| | Master| Lehramt| Gymnasium\\ Berufsbildende Schulen| Ja\\ Ja|
==== in der Praxis bei Anträgen ====
^ Bereich ^ Fakultät ^ Anzahl und Bewilligung ^ Arten ^
^ MatNat| Biologie | sehr selten, im letzten Semester einen, meist Bewilligung| meist Verlängerung Prüfungsdauer |
^| | Chemie | ein Antrag pro Jahr | hauptsächlich Verlängerung Prüfungszeit |
^| | Mathematik | an der gesamten Fakultät 3 Studierende derzeit, immer bewilligt | entweder Verlängerung der Bearbeitungszeit oder Änderung der Prüfungsform (mündlich/schriftlich) |
^| | Physik | 1-2 Fälle pro Semester, viele Bewilligungen| Verlängerung Prüfungszeit, frühere Bereitstellung von Vorlesungsmaterialien |
^| | Psychologie| viele Bewilligungen| hauptsächlich Verlängerung Prüfungszeit|
^ Ingenieur| Elektrotechnik und Informationstechnik| wenig Anträge, aber viele Bewilligungen| Verlängerung Prüfungszeit, seperate Räume, Änderung Prüfungsform|
^| | Informatik| 3-5 Anträge pro Semester, viele Bewilligungen| keine Angaben |
^| | Maschinenwesen | maximal 10 Anträge pro Semester | keine Angaben |
^ Bau und Umwelt| Architektur| viele Bewilligungen| Verlängerung der Prüfungszeit, Änderung Prüfungsform (Selbststudium statt Baustellenpraktikum|
^| | Bauingenieurwesen| keine Angaben | keine Angaben |
^| | Umweltwissenschaften| insgesamt gering, aber viele Bewilligungen| hauptsächlich Verlängerung Prüfungszeit|
^| | Verkehrswissenschaft| viele Bewilligungen | Verlängerung Prüfungszeit, besondere Sitzplätze, Klausur auf dem PC|
^| | Wirtschaftswissenschaften| | |
^ Geistes- und Sozialwissenschaften| Erziehungswissenschaften| bisher nur einmal (zumindest in Sozialpädagogik)| Verlängerung einer Abschlussphase eines Studiums (Qualifikationsarbeit und Prüfungen), einer intensiven fachlichen Betreuung, als auch einer Unterstützung durch eine studentische Hilfskraft (finanziert über den Fond der Behindertenbeauftragten)|
^| |Philosophische Fakultät\\ Sprach-, Literatur- und Kunstwissenschaften| 3-4 Fälle pro Semester | am häufigsten Schreibzeitverlängerung, sowie Bearbeitungspausen, in Einzelfällen auch Änderung der Prüfungsform, besondere Lehrmaterialien, allerdings über Lehrende und nicht Prüfungsausschuss\\ Abschnitt (2) wird auch umgesetzt, wenn er nicht in der PO verankert ist|
^ Medizin| Medizin| 6 Fälle seit 2016, viele Bewilligungen| hauptsächlich Verlängerung Prüfungszeit, Nutzung von Assistenz und Hilfsmitteln (Lupe, Hörgeräte, größere Prüfungsbögen, Bereitstellung besonderer Ausstattung bei Praktika|
^ Lehramt| Lehramt| 1-3 Fälle pro Semester in der Regel positiv| Schreibzeitverlängerung, Änderung der Art der Prüfungsleistung (Wechsel von schriftlicher zu mündlicher PL o.ä.) |
===== Fazit =====
Zumindest die Umsetzung von Nachteilsausgleichsregelungen in den Prüfungsordnungen gelingt an der TU sehr gut. Ausgleiche für chronisch kranke und behinderte Studierende sind in jeder Studienordnung verankert, während sie für Studierende mit Kind nur an einigen Stellen fehlen. \\
Auch die Einstellung zu diesem Thema ist an den einzelnen Fakultäten lobenswert, was man an der Zahl der bewilligten Anträge erkennen kann. \\
Bei der Zahl der Anträge waren wir anfangs skeptisch, wenn man jedoch bedenkt, dass die meisten nur am Anfang ihres Studiums einen Antrag stellen, der für die gesamte Dauer des Studiums gültig ist relativiert sich die Anzahl. Außerdem werden seitens der Uni deutlich weniger Studierende geschätzt, die Behinderungen haben, die eines prüfungsrelevanten Nachteilsausgleich bedürfen. \\
Daher ist davon auszugehen, dass nahezu alle Berechtigten für Nachteilsausgleiche auch einen solchen beantragen.
Im [[https://wiki.stura.tu-dresden.de/lib/exe/fetch.php?media=allgemein:lust:lust:gleichstellung:aktionsplan_tu_dresden_2017_markiert.pdf|Aktionsplan Inklusion]] wird es auch thematisiert. Besonders Maßnahmen 18,19 und 22 beziehen sich auf den Nachteilsausgleich. So wie weitere Maßnahmen bzgl. Verbesserung des Beratungsangebots, die sich noch positiv auf die Zahl der Anträge auswirken könnten. Die meisten dieser Maßnahmen sollen bis Ende 2018 umgesetzt sein.